Wir dokumentieren im Folgenden eine Stellungnahme zum geplanten Auftritt der Kabarettistin Lisa Eckhart am 15.12.21 im FZW in Dortmund und möchten damit auf die problematische Reproduktion von antisemitischen Stereotpyen hinweisen.
Antisemitismus ist nicht zum Lachen – Beratungsstelle ADIRA kritisiert den Auftritt von Lisa Eckart im FZW Dortmund
Am 15. Dezember soll die österreichische Kabarettistin und Autorin Lisa Eckhart im Freizeitzentrum West (FZW) in Dortmund auftreten.[1] Die Beratungsstelle ADIRA in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Dortmund kritisiert mit einer Stellungnahme den Auftritt, da Lisa Eckhart in ihren Programmen immer wieder antisemitische Stereotype bedient.
Erstmalig in Kritik geraten ist Eckhart im vergangenen Jahr: Hier wurde ein kabarettistischer Beitrag mit dem Titel „Die heilige Kuh hat BSE“ von ihr bekannt, der 2018 in der Sendung „Mitternachtsspitzen“ lief und vom WDR 2020 nochmal auf Facebook veröffentlicht wurde. Daraufhin wurde Eckhart von verschiedenen Seiten Antisemitismus vorgeworfen. Denn in dem damaligen Aufritt thematisierte sie die „Me too“-Debatte in der Filmbranche und stellte die Frage, ob diese nicht antisemitisch sei, weil einige der Beschuldigten, wie Harvey Weinstein oder Roman Polanski, Juden seien, um anschließend zu erklären: „Am meisten enttäuscht es von den Juden, da haben wir immer gegen den Vorwurf gewettert, denen ginge es nur ums Geld, und jetzt plötzlich kommt raus, denen geht’s wirklich nicht ums Geld, denen geht’s um die Weiber, und deshalb brauchen sie das Geld.“ Mit dieser Aussage spielte sie auf die antisemitische Behauptung an, dass Jüdinnen und Juden in besondere Weise auf Geld und Reichtum aus seien. Darauf erzählte Eckhart weiter: „Mit Geld ist ja nichts gutzumachen. Den Juden Reparationen zu zahlen, das ist, wie dem Mateschitz ein Red Bull auszugeben. (…) Was tun, wenn die Unantastbaren beginnen, andere anzutasten?“ Auch hier kommt das antisemitische Motiv der Gier zum Tragen, demzufolge Jüdinnen und Juden sich an Entschädigungszahlungen immer weiter bereichern würden. Zudem seien sie „unantastbar“, eine Formulierung, die der im Antisemitismus fantasierten Übermacht von Jüdinnen und Juden das Wort redet.
Zu Recht wurde der antisemitische Gehalt dieser Aussagen problematisiert. So bezeichnete der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, den Auftritt als „geschmacklos“ und auch andere Organisationen wie der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) oder das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) äußerten Kritik. [2]
„Schon damals wurde in der Kritik deutlich herausgestellt, dass Lisa Eckhart nicht etwa den grassierenden Antisemitismus satirisch angreift, sondern einfach antisemitische Stereotype reproduziert, ohne dass diese Ablehnung erfahren. Doch Eckhart scheint die letztjährige Diskussion weder sonderlich beeindruckt zu haben, noch hat sie offenbar aus ihr gelernt“, sagt Johanna Lauke, Beraterin bei ADIRA.
Denn ihr aktuelles Programm „Das Vorurteil des Lasters“, mit dem sie auch im FZW auftreten wird, enthält erneut einen antisemitischen Witz. Dies wurde durch einen Auftritt von Eckhart im Oktober dieses Jahres in Wien bekannt, den der ORF – ausgerechnet – am 9. November ausstrahlte und der auch auf Eckharts Youtube-Kanal zu sehen ist[3]. In diesem sinniert sie über die vermeintlich fehlende Humorfähigkeit von Frauen und erklärt, dass es ihnen nicht gelungen sei, „im Gegensatz zu den Juden durch ihre lange Unterdrückung einen genuinen Humor auszubilden“ – ganz so, als hätten Jüdinnen und Juden automatisch eine besondere Gabe zum Humor, die zudem als ein Resultat der Jahrhunderte langen Verfolgungs- und Vernichtungsgeschichte begriffen werden könne. Zwei Sätze weiter wird Lisa Eckhart dann noch konkreter und fragt: „Warum sind die Juden den Frauen um zwei Nasenlängen voraus?“ Das Publikum lacht.
„Mit dieser Bemerkung bezieht sich Eckhart auf eine Form des Antisemitismus, die Jüdinnen und Juden spezifische körperliche Merkmale zuschreibt, in diesem Fall eine große Nase. Dies ist seit dem 19. Jahrhundert immer wieder Bestandteil antisemitischer Darstellungen und Bilder von Jüdinnen und Juden, mit dem Ziel, diese abzuwerten und als ‚anders‘ zu markieren. Das Wissen über derartige Vorstellungen von Jüdinnen und Juden wirkt bis heute fort, was auch daran zu erkennen ist, dass der Witz bei dem Publikum seine intendierte Wirkung erzielt – ansonsten würde er nicht funktionieren“, erklärt Micha Neumann, Berater bei ADIRA.
Insofern wird deutlich, dass sich die Kabarettistin unter dem Deckmantel der Satire immer wieder antisemitischer Stereotype bedient. Auch wenn Humor ein Mittel sein kann, um Antisemitismus zu thematisieren, so wird dies von Lisa Eckhart ins Gegenteil verkehrt, sagt Anna Ben-Shlomo, Beraterin bei ADIRA: „Wir können nicht erkennen, dass sie versucht, mit Art von Satire antisemitische Klischees zu dekonstruieren oder ironisch zu brechen. Auch verkörpert sie keine besondere Kunstfigur, welche Antisemit*innen den Spiegel vorhält, wie es manchmal zu ihrer Verteidigung behauptet wird. Lisa Eckhart macht einfach Witze zu Lasten von Jüdinnen und Juden und greift dabei sogar auf problematische Bilder zurück, die wir auch aus dem Nationalsozialismus kennen.“ Sie ermöglicht es so ihrem Publikum, nicht über die Absurdität des antisemitischen Wahns zu lachen, sondern über antisemitische Witze. Eigene Ressentiments werden auf diese Weise befreit und der Entgrenzung des Antisemitismus weiter Vorschub geleistet. Dies hat unmittelbar negative Auswirkungen auf Jüdinnen und Juden, die regelmäßig mit solchen Stereotypen konfrontiert werden.
Als Künstlerin ist Lisa Eckhart selbstverständlich Kunstfreiheit zuzugestehen, auch wenn es mehr als zweifelhaft ist, inwieweit es sich bei antisemitischen Witzen um Kunst handelt und sich daher in diesem Fall die Frage nach den Grenzen der Kunstfreiheit aufdrängt. Auch die Verantwortlichen beim FZW könnten darüber nachdenken, ob der Aufritt mit ihrem Selbstverständnis als „Veranstalter innovativer Jugend- und Popkultur für verschiedene jugendliche Subkulturen“[4] zusammenpasst und welchen Mehrwert sie in antisemitischen Witzen für ihr Programm sehen.
Diese Debatte soll an dieser Stelle aber nicht geführt werden: „Uns geht es nicht darum, eine Absage des Auftritts zu fordern, sondern darauf hinzuweisen, dass Antisemitismus sich überall artikuliert, auch im Kabarett, das sich gerne als geistreich versteht. Ebenso wollen wir deutlich machen, dass Antisemitismus nicht erst bei offenem Judenhass anfängt, sondern auch bei einer sich Satire nennenden Reproduktion antisemitischer Stereotype. Wir möchten mit unserer Stellungnahme daher unsere Kritik in die Öffentlichkeit bringen, um so für Antisemitismus zu sensibilisieren und einen Reflexionsprozess in Gang zu setzen“, fassen die Berater*innen von ADIRA zusammen. Die Besucher*innen der aktuell ausverkauften Show von Lisa Eckhart sollten sich daher fragen, welches Bedürfnis sie verspüren, um über die „langen Nasen“ von Jüdinnen und Juden lachen zu wollen und welchen Eindruck dies den Betroffenen von solchen Witzen vermittelt. Denn für den Abend des 15. Dezembers in Dortmund ist damit zu rechnen, dass Lisa Eckhart auf der Bühne im FZW wieder ihre antisemitischen Witze vorträgt – und ihr ein enthemmtes Gelächter entgegenschallen wird.
Hintergrund: ADIRA (Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus) ist eine vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit mit dem Schwerpunkt Antisemitismus und befindet sich in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Dortmund K.d.ö.R. ADIRA berät Betroffene von Antisemitismus in Dortmund sowie in der Region Westfalen-Lippe und leisten Präventions- und Aufklärungsarbeit zum Thema Antisemitismus.
[1] https://www.fzw.de/programm/detail/15.12.2021/Lisa+Eckhart/2495/
[2] https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/judenhass-im-deckmantel-der-satire/
[3] https://www.youtube.com/watch?v=pFpZZzSSyVM
[4] https://www.fzw.de/besucherinfos/fzw/