Stellungnahme des Netzwerks zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund zum Abbruch der Vorführung des Filmes „Screams before Silence“

Am Mittwoch, den 04.09. sollte im Dortmunder „Kino im U“ der Film „Screams before Silence“ aufgeführt werden. Der Dokumentarfilm thematisiert die sexualisierte Gewalt der Hamas im Zuge des Terrorangriffs am 7. Oktober 2023 und lässt dabei Augenzeug*innen, freigelassene Geiseln, Ersthelfer*innen, medizinische und forensische Expert*innen sowie Überlebende der Hamas-Massaker zu Wort kommen. Organisiert hatte die Vorführung die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie der Stadt Dortmund in Kooperation mit dem Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund.

Leider konnte der Film aufgrund von tatsächlichen und zu erwartenden Störungen nicht gezeigt werden. Als Mitveranstalter möchte das Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus hierzu Stellung beziehen und kurz die Geschehnisse darstellen.

Bereits bei der Einlassphase zu dem Film zeichnete sich ab, dass neben regulären Besucher*innen auch Personen den Kinosaal betraten, die wir dem Milieu des anti-israelischen Aktivismus zurechnen und hierdurch eine unübersichtliche Situation entstand. Kurz vor Beginn der Vorführung des Filmes wurde ein Feueralarm im Dortmunder U ausgelöst, der dazu führte dass alle Personen das Gebäude verlassen mussten und zu einem Sammelpunkt evakuiert wurden. Dieser Feueralarm wurde unseren Informationen zufolge höchstwahrscheinlich durch einen manipulierten Rauchmelder in den Toiletten ausgelöst.

Während der Evakuierung wurde deutlich, dass ein anti-israelischer Social-Media-Aktivist das Geschehen via TikTok streamte. Dieser hatte offenbar – wie im Nachgang erkennbar wurde – auch wenige Tage zuvor über seinen TikTok-Account dazu aufgerufen, den Film in kritischer Absicht zu besuchen. 

Nachdem die Feuerwehr keinen Brand feststellen konnte, gelangten alle Besucher*innen wieder in den Kinosaal. Bereits an dieser Stelle stand für uns fest, dass wir den Film zu einer solchen Thematik unter derartigen Bedingungen nicht zeigen können und wollen. Einzelne Personen, die wir eindeutig als potenzielle Störer*innen identifizieren konnten, darunter auch besagter Streamer, wurden zunächst von uns auf Basis des Hausrechts zum Verlassen des Saals aufgefordert. Dieser kam der Streamer erst unter Hinzuziehung der Polizei nach. 

Bevor er jedoch von der Polizei hinaus begleitet werden konnte, zog er eine am Körper versteckte Palästina-Fahne hervor, wandte sich an das Publikum und hielt eine kurze Ansprache, in dem er u.a. von einen vermeintlichen „Genozid in Gaza“ sprach, auf die er vehementen Widerspruch aus dem Publikum erhielt. Daraufhin verließ er unter Protest das Gebäude. 

In Folge erließ die Leitung des Hauses aufgrund des Feueralarms und der unklaren Sicherheitslage eine Absage der geplanten Filmvorführung, sodass die Veranstalter*innen dem Publikum mitteilen mussten, dass der Film nicht gezeigt werden kann. Daraufhin brach ein Teil des Publikums, in Gejohle aus und skandierte u.a. „Free Palestine“. Sämtliche Personen mussten dann endgültig das Gebäude verlassen. An dieser Stelle war eine Vorführung des Filmes nicht mehr möglich.

Wir sind entsetzt, dass ein Film, welcher sexualisierte und antisemitische Gewalt im Zuge des Massakers der Hamas thematisiert, von anti-israelischen Aktivist*innen gestört wurde. Es ist bezeichnend, dass diese Gruppe sich eine Veranstaltung zum Ziel ausgesucht hat, die Berichte und Interviews mit Opfern der Ereignisse vom 7. Oktober 2023 zeigt. Auf diese Weise wird der Terror der Hamas sowie sexualisierte Gewalt verharmlost und die Erfahrungen der Betroffenen in Abrede gestellt. Für die Gruppe der Störer*innen scheint die Thematisierung der Gräueltaten der Hamas eine kaum zu ertragende Provokation zu sein, so als dürfe es nichts geben, was ihre schematische Einteilung der Welt in Gut und Böse in Frage stellt.  Dieses Vorgehen ist aus unserer Sicht eindeutig antisemitisch motiviert. Zusätzlich hat die Störaktion aufgrund des Inhalts des Filmes eine frauenfeindliche Dimension, da sich diese auch gegen die Erfahrungen von Frauen richtet, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind. Nicht zuletzt wurde der Kinosaal in diesem Moment zu einem unsicheren Ort für anwesende  Betroffene antisemitischer und sexualisierter Gewalt.

Wir sind enttäuscht, dass wir durch das Geschehen den Ort nicht sicher halten konnten und den tatsächlich am Film interessierten Besucher*innen die Möglichkeit, den Film in Ruhe zu schauen, nicht bieten konnten. Wir stellen fest, dass diese Aktion für Dortmund eine neue Qualität darstellt, die auch damit zusammenhängt, dass das Milieu des anti-israelischen Aktivismus immer enthemmter auftritt und anscheinend kaum eine Gelegenheit auslässt, um ihre antisemitischen Einstellungen in die Öffentlichkeit zu tragen und damit andere Personen zu gefährden.

Wir werden aus diesen Geschehnissen entsprechende Konsequenzen ziehen und gegen die uns bekannten beteiligten Personen rechtlich vorgehen. Ebenso kündigen wir an dieser Stelle an, uns von der Störaktion nicht einschüchtern zu lassen und so schnell wie möglich eine Wiederholung der Filmvorführung zu organisieren.

Das Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus ist ein Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen und städtischen Institutionen, der sich 2018 gegründet hat. Ziel des Netzwerks ist es seither, gegen Antisemitismus in Dortmund vorzugehen und durch Prävention und Intervention wirksam zu bekämpfen. Koordiniert wird das Netzwerk von ADIRA, der Antidiskriminierungsberatungsstelle in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Dortmund.